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Einführung in die walisische Sprache: Cymraeg
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Die kymrische Sprache ist streng genommen die direkte Nachfolgerin jener keltischen Idiome,
die bereits zur Zeit der römischen Besatzung auf der britischen Insel bis hinauf in den Süden des heutigen
Schottlands gesprochen wurden. Nur im bergigen Rückzugsgebiet von Wales überlebte diese Sprache
die Widrigkeiten der jahrtausendelangen Angriffe und Unterdrückung von Angelsachsen und Normannen.
Selbst
nach dem Verlust der Unabhängigkeit durch die englische Krone blieb Walisisch die Sprache des Volkes.
Um 1900 herum
sprach noch mehr als die Hälfte aller Waliser Kymrisch, besonders im Norden und Westen des Landes. Danach
wurde die Sprache, insbesondere durch das Schulsystem und offizielle Diskriminierung,
zurückgedrängt und weite Teile des bevölkerungsreichen
Südosten wurden fast vollständig anglisiert. Die Zahl der Sprecher ging bis
in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts kontinuierlich zurück. Durch den vehementen zivilen Ungehorsam
großer Teile der Sprachgemeinschaft und dadurch erzwungene
positive Entwicklungen im Bildungs- und Medienbereich hat das Walisische im Leben
des Landes stark an Bedeutung gewonnen. Es ist in Wales jetzt offiziell gleichberechtigt neben dem Englischen.
Die Zahl der Walisischsprechenden steigt auch wieder kontinuierlich an. Die meisten
Sprecher benutzten Walisisch im täglichen Leben, insbesondere natürlich in den überwiegend
walisischsprachigen Gebieten im Westen des Landes wie Ynys Môn (Anglesey), Gwynedd,
Ceredigion (Cardiganshire) und Sir Gâr (Carmarthenshire).
Flächenmäßig gesehen nehmen die walisischsprachigen Gebiete noch etwa die Hälfte von
Wales ein. Das Sprachgebiet reicht aber auch noch bis in den nordwestlichsten Zipfel der englischen
Grafschaft Shropshire hinein. Es umfasst ebenso einige Gemeinden walisischer Auswanderer mit etwa
5.000 aktiven Sprechern im argentinischen Teil
Patagoniens (Provinz Chubut) um Trelew, Gaiman und Trevelin. Alles in allem ist Walisisch derzeit
bei weitem die lebendigste keltische Sprache überhaupt; nicht zuletzt wegen des ausserordentlichen Selbstbewusstseins seiner
Sprecher.
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Sprachliches
Wer heutzutage Sendungen der Fernsehstation Sianel Pedwar Cymru verfolgt, mag kaum glauben, dass er eine Sprache hört, die sich seit den Zeiten der Römer relativ wenig verändert hat. Trotzdem zeigte sich Y Gymraeg (das Kymrische) allen Anforderungen der Moderne gewachsen - selbst die Bill Gates Generation erfreut sich walisischsprachiger Webbrowser und Texteditoren. Cymraeg ist quasi die "Mutter" der brythonischen Sprachen, von der sich historisch gesehen Kumbrisch, Kornisch und Bretonisch fortentwickelten. Der Verwandschaftsgrad dieser Sprachen kann heute mit jenem zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen verglichen werden. Der Abstand zu den goidelischen keltischen Sprachen ist jedoch sehr groß, sodass sich Sprecher von Cymraeg und Gaeilge nicht verstehen können.
Die walisische Literatur kann auf eine jahrtausendealte Tradition zurückblicken, dass älteste überlieferte Gedicht in alt-walisischer Sprache wurde in Canu Aneirin (Gesänge von Aneirin) Anfang des 7. Jh. geschrieben für den brythonischen Königshof des Reiches Gododdin mit der Hauptstadt Din Eiddyn (Edinburgh!). Älter und berühmter sind natürlich die Sagengeschichten der Mabinogion, die in der walisischen Kultur eine ähnliche Stellung einnehmen wie etwa die Nibelungen in der deutschen. Diese Erzählungen wurden zwischen 1050 und 1170 niedergeschrieben, nachdem sie zuvor Über viele Generationen mündlich überliefert worden waren. Während des Mittelalters blieb Walisisch die dominierende Sprache im Land in allen sozialen Schichten. Wohl der berühmteste Dichter dieser Zeit war Dafydd ap Gwilym, dessen Gedichte über Natur und Liebe mit viel Humor versehen noch heute seine Anhänger finden. Am stärksten beigetragen zum Überleben des Walisischen hat jedoch die Übersetzung der Bibel, die 1588 vom Bischof William Morgan in Auftrag gegeben worden war. Der bis auf den heutigen Tag bedeutenden Sprecherzahl angemessen, produzierte Walisisch eine große Zahl bedeutender Literatur.
Es gibt im Prinzip zwei relativ stark abweichende Dialekte in Nord-Wales und Süd-Wales.
Ein besonders positives Merkmal des Walisischen ist die strikte Regel der Aussprache jedes Buchstaben. Damit gehört die Sprache zu den am leichtesten zu lesenden Idiomen Europas. Für Fremde etwas gewöhnungsbedürftig sind die walisischen Wörter wohl. Aber wer weiss, dass "w" im Walisischen wie "u" und dafür der Buchstabe "u" wie "i" ausgesprochen wird, wird auch dort kaum Probleme haben. Neben dem "Doppel-L" macht das "dd" vielleicht noch Schwierigkeiten; es wird wie das weiche englische "th" in "though" ausgesprochen.
Details zur Orthographie, Aussprache und anderen grammatikalischen Besonderheiten des Walisischen sind (in englischer Sprache) sehr gut unter
Omniglot und
Wikipedia beschrieben. Die deutschsprachige Version von
Wikipedia ist nicht identisch und komplementär.
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"Mae hen wlad fy nhadau yn annwyl i mi.
Gwlad beirdd a chantorion, enwogion o fri,
ei gwrol ryfelwyr, gwladgarwyr tra mad,
dros ryddid collasant eu gwaed.
Gwlad, gwlad, pleidiol wyf i'm gwlad
tra mòr yn fur i'r bur hoff bau,
o bydded i'r hen iaith barhau."
"Das alte Land meiner Väter liegt mir sehr am Herzen. Land der Dichter und Sänger, großer Berühmtheiten, ihr tapferen Helden, ausserordentlichen Patrioten, für die Freiheit ließen sie ihr Leben. Land, Land, ich bin Teil meines Landes. Solange das Meer als Mauer das rechte geliebte Land schützt, möge die alte Sprache überdauern."
(Walisische Nationalhymne) |
Geschichte
Bereits im 6. Jh. v. Chr. waren Kelten auf die Britische Hauptinsel gelangt, die eine brythonische Sprachvariante benutzten, die sehr eng mit dem gallischen Idiom auf dem europäischen Festland verwandt war. Durch die Jahrhunderte entwickelte sich diese Sprache weiter und wurde auf der ganzen Insel bis hinauf nach Nordschottland gesprochen. Aus der unruhigen Epoche nach dem Rückzug der Römer entstammen dann die ersten überlieferten alt-walisischen Gedichte und Erzählungen, die etwa im 7. Jh. am Hofe des Königs von Gododdin in Edinburgh entstanden. Mit der Zeit schrumpften die Sprachgebiete durch die Angriffe von goidelisch sprechenden Schotten und Angelsachsen auf die Gebiete des heutigen Wales und Cornwalls zusammen. Seit dem 10. Jh. entwickelten sich dann die brythonischen Sprachen auseinander, bis sich das früh ausgestorbene Kumbrisch, Kernewek, Brezhoneg und eben Cymraeg zu eigenständigen Sprachen entwickelten.
Einzelheiten dieser Verdrängung auf ein paar Rückzugsgebiete an der Atlantikküste werden auf der Seite
Geschichte von LINGUAE CELTICAE dargelegt.
Das Gebiet von Wales hatte während der römischen Besatzungszeit seine kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen bewahrt. Eine ganze Reihe kleiner unabhängiger Fürstentümer und Königreiche wie Gwynedd, Powys und Mynwy (engl.: Monmouthshire) prägten die politische Landkarte - bis ans Ende des 13. Jh. konnten sich die Waliser den Angriffen von Normannen, Engländern und Iren erwehren. Dies war eine besonders bedeutende Epoche der walisischen Dichtkunst, als jeder adlige Hof sich seine Poeten (walis. Bardd = Dichter) hielt. In dieser ganzen Periode entwickelte sich die kymrische Kultur relativ frei und kreativ - die hohe Individualität der Kelten erlaubte es aber nur selten, eine politische einigende Kraft für ganz Wales zu bilden. Wohl unausweichlich war es, dass sich das kleine Land dem viel mächtigeren östlichen Nachbarn unterordnen musste. Edward I von England war es
vorbehalten, 1278 ganz Wales unter seine Herrschaft zu bringen, nachdem mit Llywelyn ap Gruffudd (Llywelyn II) der letzte walisische König besiegt und enthauptet worden war. Trotzdem wurde das Land noch immer meist von walisischen Adligen verwaltet und für die Kultur der Einheimischen änderte sich im Alltag wenig. Auch die walisischen Dichter wie etwa Dafydd ap Gwilym konnten sich der Unterstützung vieler Adliger sicher sein. Eine kurzzeitige Revolte unter Owain Glyndwr zu Beginn des 15. Jh. setzte noch einmal ein Zeichen, dass der Widerstand der Waliser nicht vollständig gebrochen war. Mit der Thronbesteigung der Tudordynastie (ironischerweise mit walisischem Familienursprung) in London kam 1536 der englische Zentralismus zum Durchbruch. Mit dem "Act of Union" wurde jeglicher Status des Walisischen beseitigt und das Land in England einverleibt: "That this said Country or Dominion of Wales shall be, stand and continue for ever from henceforth incorporated, united and annexed to and with this his Realm of England."
Obwohl die Sprache nicht verboten war, verlor sie in den kommenden Jahrhunderten nach und nach einiges von ihrem Status in der Bevölkerung. Ein effektives Bollwerk gegen die Anglisierung wurde jedoch die Verwendung des Walisischen im religiösen Bereich. Die Übersetzung der Bibel im Jahre 1588 bereitete den Weg für die zentrale Rolle des Kymrischen im kirchlichen Bereich - sie änderte sich auch nicht in den Wirren der Reformation. Im Gegenteil, die vielen freikirchlichen Gemeinschaften vermochten es sogar, wichtigster Hort des Walisischen in den unsicheren Zeiten der Industriellen Revolution zu sein. Mit der Entwicklung des Kohle- und Erzabbaus im Süden von Wales und der damit einhergehenden Industrialisierung ging eine starke Einwanderung aus England und Irland in die Gebiete um Abertawe (Swansea) und Caerdydd (Cardiff) einher. Waren noch um 1800 etwa 80 % aller Einwohner walisischsprachig, so waren es um 1900 "nur" noch 50 %. De facto war Wales gespalten in eine fast ausschließlich walisischsprachige Hälfte im Westen und einen anglisierten Osten. Einen weiteren negativen Faktor bildete die 1872 eingeführte allgemeine Schulpflicht, die den Gebrauch des Walisischen in allen Schulen bei Strafe verbot. Bis zum 2. Weltkrieg ging der Rückhalt des Walisischen in der Bevölkerung stetig zurück, speziell in den bevölkerungsreichen Industriegebieten von Morgannwg (Glamorgan). Der soziale Fortschritt wurde dort vielerorts mit der englischen Sprache gleichgesetzt. Im Gegensatz blieb die Sprache im ländlichen Nord- und West-Wales im alltäglichen Gebrauch, alles aber hinter der offiziellen englischsprachigen Fassade von Verwaltung und Ausbildung. Eine kleine Minderheit begann bereits in den 20er Jahren des 20. Jh., eine nationale Wiedererweckung zu versuchen. Doch die damals gegründete Partei Plaid Cymru sollte erst nach dem 2. Weltkrieg an Bedeutung gewinnen.
Demographisch gesehen war die Sprachgemeinschaft nach dem 2. Weltkrieg (besonders in den Tälern des Südostens) überaltert - ein langer Niedergang der Sprecherzahl war vorgezeichnet. Vor diesem Hintergrund zeitigten die zähen Bemühungen des Widerstands doch bereits früh Erfolge.
1942 wurde mit dem "Welsh Court Act" die Sprache erstmals wieder offiziell anerkannt; sie durfte wieder vor Gericht in Zeugenaussagen verwendet werden. Die erste Schule mit walisischsprachigem Unterricht wurde 1948 in Llanelli zugelassen. Langsam konnten Zugeständnisse von den Londoner Zentralbehörden erreicht werden. Meist blieb aber nichts anderes übrig, als Eigeninitiative zu entwickeln.
So wurde 1958 von Exil-Walisern in London"Ysgol Gymraeg Llundain" gegründet, um ihren Kindern eine Ausbildung in walisischer Sprache zu ermöglichen. Die Sprache wurde auch mehr und mehr in den Schulen verwendet, um Muttersprachlern den Weg in die Ausbildung zu erleichtern. Während die ältere Generation noch vielfach verzagt oder gar lethargisch dem Schicksal der eigenen Sprache entgegensah, nahmen in den 60er Jahren ungeduldige Waliser ihre Sache in die eigenen Hände. Englischsprachige Straßenschilder wurden übermalt oder weggetragen. Offizielle Schreiben (auf Englisch natürlich) wurden ignoriert, Gasrechnungen nicht bezahlt, bis sie auch in walisischer Sprache ausgestellt wurden. Der zivile Ungehorsam führte für viele zu einem kurzen Gefängnisaufenthalt, doch die Autoritäten wichen zurück. Die Sprache wurde auch ein Politikum. Zum Höhepunkt des Sprachenstreits standen sich Plaid Cymru als Vertreterin der walisischsprachigen Waliser und die Konservativen als "Partei der Engländer in Wales" unversöhnlich gegenüber. Letztendlich wurde von den hartnäckigen Walisern der "Welsh Language Act" (1993) und der walisischsprachige Fernsehkanal S4C eingefordert: Walisisch ist nun gleichberechtigt neben Englisch in Wales und wird wie ein Augapfel von seinen Sprechern geschützt. Dem Respekt der sonst im walisischen politischen Leben dominierenden Labour Party vor der Konkurrenz von Plaid Cymru war es auch zu verdanken, dass Wales endlich eine gewisse Selbstbestimmung mit der Walisischen Nationalversammlung zuerkannt wurde.
Alle positiven Anstrengungen seit den 70er Jahren zeitigten letztendlich eindrucksvolle Erfolge.
Nach der Volkszählung von
2001 verzeichnete man gegenüber 1991 einen Anstieg von 74.000 Sprechern auf über 580.000 (20,5 % der Gesamtbevölkerung). Mit der Einführung des Walisischen als Pflichtfach in allen Schulen und dem stetigen Anstieg der Zahl walisischsprachiger Grundschulen in allen Teilen des Landes ging auch eine deutliche Verbesserung der Sprachkenntnisse in der jüngeren Generation einher. So sprachen 1987/88 lediglich 13.1 % aller Grundschüler fließend Walisisch, 2001/2003 waren es bereits 16.7 %. Der Anteil von Schülern, die überhaupt kein Walisisch kannten, ging im selben Zeitraum von 75 % auf 52 % zurück. Im Schuljahr 2002/03 wurden bereits 51.977 Grundschüler auf Walisisch unterrichtet, in 1990/91 waren es noch lediglich 38.404 gewesen. Während der bisherige Schwerpunkt der Sprachförderung auf dem Bildungsbereich lag, wird seit den 90er Jahren offensive Sprachentwicklung betrieben. Die staatliche Förderorganisation
Bwrdd Yr Iaith Gymraeg steht dabei an vorderster Front zusammen mit einigen kommunalen Parlamenten wie Gwynedd und Ceredigion. Dabei sind besonders die auf Sprachenerhalt auf lokaler Ebene engagierten Mentrau Iaith (Sprachorganisationen) zu nennen, die sich den erweiterten Gebrauch der Sprache in ihren "Stammgebieten" zum Ziel gesetzt haben.
Alles in allem hat sich das Blatt gewendet nach einer jahrhundertewährenden Abwärtsbewegung seit dem "Act of Union" im 16. Jh. und der Einverleibung von Wales ins englische Königreich.
Census (Volkszählung)
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Zahl der Walisisch-Sprecher
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1891 1901 1911 1921
1931 1951 1961 1971 1981 1991 2001 2011 2021
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910,289 929,824 977,366 922,999 909,261
714,686 656,002 542,425 501,549 508,098 582,368 562,016 538,300
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Cymraeg: Anzahl der Sprecher in Wales lt. Census von 1891 bis 2021
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Die Berge von Eryri (Snowdonia) im Norden von Wales bildeten die
letzten Rückzugsgebiete der walisischen Fürsten vor den Angriffen der englischen Invasoren
"... und von nun an dürfen keine Person oder Personen, welche die walisische Sprache benutzen, ein öffentliches Amt bekleiden in diesem Reiche von England, Wales oder anderen königlichen Besitzungen. Bei Zuwiderhandeln wird dieses Amt verloren gehen sofern sie (d.h. diese Personen) nicht die englische Sprache oder Zunge benutzen und verwenden."
Wortlaut aus dem Act of Union von 1546
Die ländlichen Gebiete des Landes konnten auch im 19. Jh. ihre kymrische Kultur bewahren, wohl auch weil die Sprache tief im nationalen Bewusstsein und den christlichen Gemeinschaften verwurzelt war
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Gegenwart
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die walisische Sprache so lebendig wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Insbesondere im
öffentlichen Raum ist Y Gymraeg präsenter als vielleicht seit der "Vereinigung" mit England im 16. Jh. Walisisch ist
offiziell gleichberechtigt mit dem Englischen, wenn auch auf dem wirtschaftlichen Sektor noch einiger Nachholbedarf besteht. Radio und
Fernsehen bieten ein reichhaltiges Angebot an Unterhaltung und Information in walisischer Sprache. Die TV-Seifenoper "Pobol y Cwm" (Leute des Tals) wird mittlerweile seit über 30 Jahren jede Woche ausgestrahlt - sie hält damit den Weltrekord für solche Fernsehserien. Jährlich werden viele Bücher und Popsongs veröffentlicht, das einzige Manko im Medienbereich ist eine fehlende walisischsprachige Tageszeitung. Allgemein wird die Sprache von einer großen Mehrheit der Waliser als besonders wichtig anerkannt. Mit dem langsam wachsenden Nationalbewusstsein hat die erst seit kurzer Zeit bestehende Nationalversammlung sehr viel Rückendeckung für ihre behutsame, aber kompromisslose Sprachenpolitik erhalten. Darüberhinaus gibt es sehr handfeste Selbsthilfeorganisationen wie
Cymuned, die stetigen Druck auf die Politik ausüben, um Worten Taten folgen zu lassen. Dabei spielt natürlich eine Rolle, dass die Labour Party als führende Partei immer auf die Erfolge von Plaid Cymru (Wales-Partei) achten muss, die ja größte Oppositionspartei in der Nationalversammlung ist.
Auf dem Bildungssektor ist in der Tat sehr viel erreicht worden. Walisisch ist an allen Grund- (Primary Schools) und Sekundarschulen
(Secondary Schools) Pflichtfach für alle Schüler in Wales zwischen 5 und 15 Jahren. Die Zahl der Sch ler mit Walisisch als
Unterrichtssprache steigt immer noch langsam an. Über 386 Grundschulen (27 % aller Schulen in Wales) verwenden momentan Walisisch
fast ausschließlich als Unterrichtsmedium, weitere 110 boten in 2018/2019 zumindest teilweise solchen Unterricht an. In den vier
überwiegend walisischsprachigen Grafschaften (Ynys Môn, Gwynedd, Ceredigion und Sir Gâr) sowie in
angrenzenden Teilen von Conwy, Sir Ddinbych (Denbighshire), Powys, Sir Benfro (Pembrokeshire) und Nedd Port Talbot
(Neath Port Talbot) wird praktisch flächendeckend auf Walisisch unterrichtet. Kinder englischsprachiger Zuwanderer erhalten als
Vorbereitung Intensivsprachkurse, um ihnen die Eingewöhnung zu erleichtern. In denüberwiegend englischsprachigen Städten
des Südostens und Ostens werden jedes Jahr neue "Welsh Medium Schools" eröffnet; das Angebot kann mit dem steigenden
Interesse der Eltern aber immer noch nicht Schritt halten. Sehr viel getan wird auch im Vorschulsektor:
Die walisische Vorschulorganisation Mudiad Ysgolion Meithrin
zählt derzeit (2022) mehr als 500 "cylchoedd meithrin" (Kindergärten) und über 500 "cylchoedd Ti a Fi"
(Mutter und Kind-Gruppen).
Alles in allem sind der aktuelle Status und die Lebenskraft der walisischen Sprache beeindruckend zu nennen, auch wenn hier und da
sicherlich noch optimalere Bedingungen zu erreichen wären. Y Gymraeg kann mit Fug und Recht als Vorbild für seine
keltischen "Geschwister" dienen, wobei natürlich nichts eins zu eins übertragbar ist.
Eine sehr detaillierte Beschreibung der momentanen Situation der Sprache ist unter
"Die Lage des Walisischen 2000" (193 KB) nachzulesen.
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Kleine Marktflecken wie Llanidloes sind immer noch der typische Lebensmittelpunkt des ländlichen Cymru (Wales)
Cymru ist offiziell zweisprachig: Das ist fast überall auf Schritt und Tritt zu lesen
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Walisisch in Patagonien
Im Mai des Jahres 1865 legte in Liverpool mit der "Mimosa" das erste Auswandererschiff walisischer Familien ab, deren Ziel die unwirtlichen atlantischen Gestade des nördlichen Patagonien war. Ihnen sollten trotz widriger natürlicher Umstände in diesem Teil Argentiniens eine ganze Reihe von Schiffsladungen entschlossener Auswanderer folgen, die sich in diesem Teil der Welt eine neue Chance für die kymrische Kultur ohne den erdrückenden englischen Einfluss erhofften. Nach anfänglich größeren Schwierigkeiten wurden erste Siedlungen im Tal des Afon Camwy (Rio Chubut) errichtet, mit Hilfe von Bewässerungsmaßnahmen konnte sogar im sehr trockenen Klima Patagoniens erfolgreich Ackerbau betrieben werden. Während die ursprünglichen Stadtgründungen Porth Madryn und Trelew an der Küste kaum noch Spuren der walisischen Gründungsväter vorweisen können, hielt sich Kymrisch im oberen Teil des weitläufigen Tals in Siedlungen wie Trevelin und Dolavon bis auf den heutigen Tag. Von den etwa 150.000 Einwohnern der Provinz Chubut (Wladfa im Walisischen genannt) können ungefähr 20.000 auf walisische Vorfahren verweisen. Von ihnen sprechen auch heute noch etwa 5.000 Walisisch neben Spanisch. Zentrum dieser kleinen Gemeinschaft ist der Ort
Gaiman, in dessen Straßenbild noch immer die walisische Sprache gegenwärtig ist. Hier befindet sich auch die erste walisischsprachige Grundschule Argentiniens Ysgol y Camwy. Eine zweite solche Schule wurde erst kürzlich in Trelew eröffnet.
In den letzten Jahrzehnten hat sich das Interesse an der traditionellen Sprache in der Region sehr stark erhöht und die kulturellen Verbindungen zur alten Heimat wurden wieder verstärkt. Dies betraf nicht nur die Belebung des kulturellen Lebens mit der Durchführung von Eisteddfodau oder dem Austausch von Chören und Musikgruppen. In einer besonderen Art der "Entwicklungshilfe" leisten seit 1997 walisische Lehrer Sprachunterricht in Patagonien und Schüler von "Ysgol y Camwy" haben häufige Internet-Verbindungen mit Partnerschulen im fernen Cymru. Es gibt jetzt auch seit 2005 die Möglichkeit, den walisischsprachigen Fernsehkanal S4C in Argentinien zu empfangen. Aktuelle Informationen über die weitere Entwicklung in der einzigen keltischsprachigen Gemeinschaft auf der südlichen Halbkugel werden u.a. von der
Cymdeithas Cymru-Ariannin (Wales-Argentinien Gesellschaft)
gegeben werden können.
Eine kleine Karte des walisischen Siedlungsgebiets in Patagonien wird in der Zeitschrift
Cylchgrawn gezeigt. Darüberhinaus gibt eine spezielle Internetseite von
BBC Cymru aufschlussreiche Informationen. Die neuerliche Errichtung eines walisischen Zentrums in Chubut ist ein weiteres Zeichen, dass die Zusammenarbeit über den Atlantik und den Äquator immer enger wird.
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"A hon yw ein wlad. Rhown fawl i'n tadau o ddiwyd antur ...."
"Und dort ist unser Land. Wir preisen unsere Väter für ihre Beharrlichkeit ...." R. Bryn Williams, "Cof Patagonia" (Erinnerung an Patagonien) im 19. Jh. |
Zukunft
Aus den vorgenannten Schilderungen wird deutlich, dass Walisisch momentan die lebendigste und widerstandsfähigste aller modernen keltischen Sprachen ist. Die Sprecher des Walisischen sehen es als Selbstverständlichkeit an, ihre Sprache alltäglich überall verwenden zu können. Eine Tatsache, die manchen Zugereisten oder Besucher aus dem benachbarten England immer noch verwirrt. In der Tat sind Sprache und Nationalität in Wales im Bewusstsein der Menschen stärker verbunden als beispielsweise in Irland. Dies wiederum hat zur Folge, dass man sehr sensibel auf die immer noch ansteigende Anzahl von "Einwanderern" aus England reagiert, die in der Regel eine Parallelgesellschaft in den walisischsprachigen Gebieten bilden. In Zahlen ausgedrückt wird diese Problematik sehr deutlich. Von den etwa 2,8 Mio. Einwohnern des Landes waren im Jahre 2001 nur 75 % in Wales geboren, wobei diese "Waliser durch Geburt" in manchen östlichen Landesteilen bereits eine Minderheit bilden. In den westlichen Landesteilen kommt hinzu, dass in diese landschaftlich schönen Gebiete immer noch wohlhabende Engländer ziehen bzw. dort Ferienwohnungen besitzen. Es gibt große Gebiete in Wales, in denen mehr als in Fünftel aller Häuser bereits Ferienhäuser sind. Junge walisischsprachige Familien finden es immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum in ihrer Heimat zu finden. So vollzieht sich schon seit Jahrzehnten ein Bevölkerungsaustausch. Junge Walisischsprachige verlassen ihre Heimat, Englischsprachige meist mittleren oder gehobeneren Alters wandern zu. Damit ist es zu erklären, dass trotz massiver Anstrengungen im Bildungs- und Verwaltungsbereich der prozentuale Anteil der Walisischsprecher in vielen traditionellen Sprachgebieten noch immer rückläufig ist. Es ist abzuwarten, ob die vielfältigen Aktionen (beispielsweise von Cymuned) Erfolge zeitigen werden, die Zuwanderer davon zu überzeugen, selbst Walisisch zu lernen. Es ist nicht auszuschließen, dass es wie in den 70er und 80er Jahren zu vereinzelten radikaleren Reaktionen kommen wird, als ein makabrer Spruch der Sprachbewegung lautete: "Come home to a real fire, buy a Welsh holiday home!" Es gingen damals wirklich etliche Ferienhäuser in Flammen auf.
In der Tat gibt es Bewegung im politischen Umfeld.
Die Regierung der Walisischen Nationalversammlung hat im Jahre 2002 eine Studie in Auftrag gegeben, um einen "Aktionsplan für ein zweisprachiges Wales" zu erarbeiten. Englischsprachige Übersetzungen zweier Veröffentlichungen sind unter
"Unsere Sprache: Ihre Zukunft" (1.318 KB)
und
"Iaith Pawb (eine Sprache für jeden)"
(324 KB) nachzulesen. Die Schlussfolgerungen dieser Untersuchungen bilden jetzt die Hauptbasis für die aktuellen
Bemühungen der walisischen Versammlung, das Land wirklich zweisprachig werden zu lassen.
Es gibt darüberhinaus momentan sehr starke Anstrengungen, Walisisch wie auch einige andere Regionalsprachen (Katalanisch, Baskisch) in den europäischen Institutionen mehr Gewicht zu verschaffen. Dabei bilden diese Sprachen quasi eine Speerspitze für alle Minderheits- bzw. Regionalsprachen Europas, um die allgemeine Anerkennung eines natürlichen Menschenrechts einzufordern. Trotz der teilweise noch unbefriedigenden Verhältnisse auf verschiedenen Ebenen des Sprachgebrauchs muss Walisisch doch als Modellfall gelten, dem nachzueifern es sich für alle keltischen Sprachen lohnen würde.
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"Cenedl heb iaith, cenedl heb galon."
"Nation ohne Sprache, Nation ohne Herz" Motto des walisischen Sprachenkampfes |
Weitere Informationen
Das Walisische kann sich einer Vielzahl von Organisationen erfreuen, die sich um einzelne Aspekte der Sprachenpolitik und des Sprachalltages bemühen. Im Gegensatz zu den keltischen Sprachen sind hier auch intensive positive Anstrengungen staatlicherseits zu konstatieren. Neben
Comisiynydd y Gymraeg sind besonders die auf Sprachenerhalt auf lokaler Ebene engagierten Mentrau Iaith zu nennen. Beide Internetseiten sind einen regelmäßigen Besuch wert. Aktuelle Nachrichten sind on-line unter
Radio Cymru zu erhalten, aber auch das englischsprachige Angebot ist empfehlenswert.
Eine ganze Reihe staatlicher als auch privater Institutionen oder Gruppen sind mit einer Vielzahl von Aktivitäten im walisischsprachigen Bildungsbereich beschäftigt. Die (ehrenamtliche)
Mudiad Ysgolion Meithrin (MYM) ist seit 1971 Wegbereiterin der walisischsprachigen Vorschulgruppen der Cylchoedd Meithrin (Spielgruppe) und Cylchoedd Ti a Fi ("Mutter und Kind"- Gruppen) und ist auch weiterhin sehr aktiv im Aufbau und der Betreuung von Gruppen für Kinder im Alter von einem bis zu vier Jahren. Seitdem Vorschulklassen für alle Kinder zwischen drei und vier Jahren staatlicherseits angeboten werden, ist der klassische Kindergartenbereich seit längerer Zeit aber in den Verantwortungsbereich der walisischen Kommunalparlamente hineingewachsen. Dort liegt auch die Entscheidung über die Ausbildung in walisischsprachigen oder zweisprachigen Klassen. Die meisten der walisischsprachigen Schulen gibt es in den Gebieten der Kommunalparlamente von
Gwynedd, Ynys Môn (Isle of Anglesey), Ceredigion sowie
Sir Gâr (Carmarthenshire). Der Elternverband für Kinder in walisischsprachigen Schulen
Rhieni dros Addysg Gymraeg setzt sich für eine weitere Ausdehnung dieser Schulform und eine größere Verlässlichkeit im Angebot des walisischen Bildungswesens ein. Ausserschulische Aktivitäten für Grundschüler unternimmt die Organisation Urdd Gobaith Cymru.
Tipps für Sprachschüler sind in unserer Rubrik Lernen enthalten.
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